Mit dem Fahrrad durch Mittel- und Nordnorwegen 2002
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Dritte Woche

Dienstag, 25. Juni 2002

Forøy - Vassdalsvik - (Fähre) - Ørnes - Mevik - Laksådalsvatnet

Unglaublich, Deutschland steht im Finale dieser WM! 1:0 gegen Süd-Korea. Das ist eine WM. Die erste Halbzeit haben wir leider verpasst, da wir keinen Fernseher gefunden haben, die zweite Halbzeit konnten wir dann auf der Fähre nach Ørnes und in einer Kneipe in Ørnes sehen.
Heute morgen lief es nicht so toll. Mir taten die Muskeln weh und etwas schlecht war mir auch noch. Quälerei. Heute nachmittag ging es schon besser. Von einem Parkplatz 10-12 km nördlich Ørnes konnten wir bereits die Lofoten sehen! Müsste Varøy gewesen sein. Jetzt steht unser Zelt auf einem malerischen Plätzchen an einem Gletschersee. Sogar ein kleines Lagerfeuer haben wir gemacht. Outdoor pur.

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Mittwoch, 26. Juni 2002

Laksådalsvatnet - Valnesvatnet

Morgens Regen. Erst um 15.45 h losgefahren. Skurriler Platz auf Holzbrücke am See, da es überall anders sumpfig war.

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Donnerstag, 27. Juni 2002

Valnesvatnet - Saltstraumen - Løding - Bodø - (Hurtigruten) - Stamsund - Brustranda

So, der erste Teil der Tour ist vorbei. Wir sitzen auf der Hurtigruten (M/S Vesterålen) von Bodø nach Stamsund. Die letzten km heute waren eine Qual. Zwar schien die Sonne, aber der Verkehr wurde immer schlimmer. Auf dem RV 17 war dichter LKW-Verkehr, die Schwerlaster mit Steinen oder so beladen. Der Tipp von Reinhard Pantke, mit der Fähre von Inndyr nach Sørarnøy und von dort nach Bodø zu fahren, war echt gut (nachher weiss man es immer besser). Man verpasst zwar Saltstraumen, aber gut.
Die Hurtigruten ist komisch. Nicht so richtig Fähre, nicht so richtig Kreuzfahrtschiff und nobler hatte ich sie mir auch vorgestellt. Die Kiel-Olso-Fähre ist da komfortabler. Ist allerdings auch keins der ganz neuen Schiffe auf dem wir unterwegs sind.
Jetzt also auf die Lofoten. Im Gegensatz zur Küstenstrasse habe ich hier noch gar keine Vorstellung, wo wir hinfahren werden, aber das ist vielleicht ganz gut, um die Unruhe etwas loszuwerden. Ich weiss nur, dass wir Sonntag einen weiteren Ruhetag einlegen werden, um in Ruhe Fussball (WM-Endspiel Brasilien - Deutschland) gucken zu können.
Nee, die Faszination, die die Hurtigruten mal auf mich ausgeübt hat, ist im Moment erloschen! Vielleicht mal im Winter oder Frühjahr. Jetzt sind mir echt zuviele Touris hier. Hm, sind wir nicht selber Touris? Ja schon, aber wir benehmen uns anders. Nicht so wie der Typ, der im Supermarkt die arme Frau auf Deutsch zugequatscht hat, ohne nur zu fragen, ob sie etwas versteht. Natürlich sind wir Touristen, aber wir versuchen wenigstens, uns auf Kultur und Leute einzulassen. Eigentlich schade, dass es immer noch so oft vorkommt, dass wir die Leute auf Norwegisch ansprechen und sie uns auf Englisch antworten. Aber vielleicht ist das dann einfach zuviel Kontakt, wenn sie sich auch noch die Mühe geben müssen, mit uns einfaches Norwegisch zu sprechen. Da sind ein paar kurze englische Sätze einfacher. Manchmal wünschte ich mir, es würde noch Plätze ohne deutsche Touristen geben. Aber ist das nicht auch ungerecht? So eng, wie es in Deutschland ist, ist es doch klar, dass alle mal raus wollen. Wenn sie alle nur wirklich die Ruhe suchten und sie nicht oftmals erst durch ihr Auftreten zerstörten.

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Freitag, 28. Juni 2002

Brustranda - Gimsøy

Die Lofoten. So lange darauf gefreut, so viel Tolles gehört - und bisher bin ich trotzdem nicht enttäuscht. Schon gestern abend die Ankunft in Stamsund und der Weg zum Campingplatz war atemberaubend. Ein bisschen wie Irland und Island zusammen. Hohe, grüne Berge, Buchten mit Sandstrand und ein Licht - unbeschreiblich.
Die Dusche auf dem Campingplatz gestern abend war das einzig angenehme. Ansonsten fest in deutscher Hand. Man wird sofort auf Deutsch angequatscht und nach wenigen Augenblicken dann das Thema Nr.1: "es ist ja so teuer in Norwegen!" Zum Kotzen. Erstens weiss man das vorher, zweitens haben die ihre Wohnmobile bis voll mit Essen aus Deutschland (im Gegensatz zu uns) und drittens lässt das wenig Urlaubsfreude erkennen. Z.B. die Münchner neben uns. Da erzählt die Frau doch tatsächlich, dass sie mal wieder ein richtig schönes Stück Fleich essen möchte. Die ganze Zeit Nudeln & Reis wär's doch auch nicht ...
Da kann ich mir nur an den Kopf fassen bei soviel Dummheit.

Heute nur eine kurze Etappe. Weg von dem Campingplatz. Dabei kaum Hügel, aber heftiger Gegenwind. Wir haben jetzt auf der Nordseite von Gimsøya einen sehr schönen Platz in den Dünen mit Blick aufs Meer gefunden. Es ziehen jetzt zwar ein paar Wolken auf, aber mit Glück gibt es heute nacht die Mitternachtssonne zu sehen!
Vorhin haben wir die beiden netten Norweger wiedergetroffen, mit denen wir gestern auf der Hurtigruten ins Gespräch kamen. Uns kam ein Audi A2 entgegen, der erst ziemlich abrupt bremste, dann drehte, nochmal an uns vorbeifuhr und wieder drehte. Kam uns erst ziemlich komisch vor. Die beiden waren soo nett, nur schade, dass er die ganze Zeit Deutsch mit uns geredet hat, weil so seine Frau nicht viel von dem Gespräch mitbekommen hat. Er hatte knapp 2 Jahre für Statoil in Berlin gearbeitet. Jetzt machen die beiden einen verlängerten Wochenendausflug von Stavanger auf die Lofoten!

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Samstag, 29. Juni 2002

Gimsøy - Henningsvær - Svolvær

Gestern abend habe ich erstmalig die Mitternachtssonne (bzw. 1-Uhr-Nachts-Sonne) gesehen. Unglaublich. Selbst um 1 Uhr war sie noch einen Durchmesser über dem Horizont. Und zum gleichen Zeitpunkt hat sie in Australien ihren Höchststand für diesem Tag erreicht! Diese Vorstellung in meinen Kopf zu bekommen, fällt mir sehr schwer.

Welch ein zweigeteilter Tag: morgens mit Blick aufs Meer aufgewacht, gebadet(!) und ganz viel Zeit gelassen mit dem Loskommen. Und nachmittags dann nur Scheiße! Erstmal war der Verkehr auf der E10 super anstrengend. Und dann hat uns so ein Vollidiot aus Jena mit seinem Wohnmobil so knapp überholt (der Außenspiegel strich ca. 5 cm an Yvonnes Kopf vorbei), dass es mit der Entspannung völlig vorbei war. Yvonne war danach völlig durch den Wind! Ich denke, dass diese Leute zuhause immer in einem Kleinwagen unterwegs sind und sich die tatsächliche Breite und das Gefährdungspotential eines Wohnmobils gar nicht bewusst gemacht haben.
Danach bin ich auf der Mitte der Spur gefahren, damit wir nur noch überholt werden konnten, wenn genug Platz war. Spass machte das aber nicht. Und dann sind wir auch noch 16 km Umweg gefahren, um den Ort Henningsvær zu besichtigen. Der Fischerort ist ja ganz hübsch, aber für meinen Geschmack etwas zu touristisch aufgezogen. Auf dem Rückweg dann das nächste Erlebnis mit einem Wohnmobilfahrer (diesmal Leipzig): von Henningsvær führt eine hohe einspurige Brücke mit Ausweichstelle in der Mitte über einen Sund. Es herrschte starker Seitenwind, so dass geradeausfahren ziemlich schwer war. Auf der Abfahrt von der Brücke waren wir 5 Radfahrer, die mit dem Wind zu kämpfen hatten, ich als erstes voraus. Als unten das Wohnmobil auf die Brücke zufuhr, bin ich in die Mitte der Fahrbahn gefahren und habe ganz deutlich die Hand ausgestreckt, zum Zeichen er solle bitte warten. Was hat der Holzkopf gemacht? Schaute mich mit grossen Augen an, drängelte sich irgendwie an mir vorbei und quetschte sich durch die anderen Radfahrer auf die Brücke. Macht da Fahrradfahren noch Spass?
Heute habe ich keinen Spass mehr an den Lofoten gehabt und mir überlegt, ob wir nicht wieder aufs Festland fahren und dort auf ruhigen Strassen umherfahren sollten.

Jetzt sind wir in Svolvær auf einem netten Hüttenplatz (Knutsmarka) gelandet. Nett hauptsächlich deswegen, weil es hier keine deutschen Wohnmobile gibt ...

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Montag, 1. Juli 2002

Svolvær - (Hurtigbåt) - Holandshamn - Tengelfjord

Deutschland ist "nur" Vizeweltmeister. War aber ein klasse Spiel. Sicher das beste Länderspiel der Deutschen seit Jahren!
Heute haben wir noch einen Ruhetag eingelegt, waren einkaufen in Svolvær und sind nachmittags auf den Hügel gewandert, von dem aus man einen tollen Blick über Svolvær und die Fjorde hat.
Wir können uns im Moment ernsthaft vorstellen, in ein paar Jahren nach Norwegen zum Arbeiten zu gehen. Vorher vielleicht nochmal einen Sprachurlaub hier.
Morgen früh geht es dann weiter. Mit dem Schnellboot nach Holandshamn und dann endlich wieder Fahrrad fahren!

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lagerfeuer_in_hellichter_nacht

Lagerfeuer in hellichter Nacht

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ungewoehnliche_zeltbefestigung

Ungewöhnliche Zeltbefestigung

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zelt_mit_parkettboden

Zelt mit Parkettboden

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nach_dem_aufwachen

Nach dem Aufwachen

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Hommage an Andy Goldsworthy 1

Hommage an Andy Goldsworthy 1

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schlafen_bei_mitternachtssonne

Schlafen bei Mitternachtssonne

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[nachts_um_eins]

Nachts um Eins