Mit dem Fahrrad durch Mittel- und Nordnorwegen 2002
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Vierte und fünfte Woche

Freitag, 5. Juli 2002

Tengelfjord - Hanøy - (Fähre) - Kaljord - Blokken - Sigerfjord - Sortland
Sortland - Jennestad - Hangen - Lia
Lia - Alsvåg - Myre - Nyksund - Myre - Alsvåg - Hangen - Skjellbogen

Drei Tage nichts geschrieben. Jetzt aber. Heute haben wir uns das erste Mal eine Hütte genommen. Hat auch was.

Aber von vorne. Die Tour Dienstag morgen mit dem Schnellboot nach Holandshamn war komisch. Der 'Aufpasser' war ziemlich unfreundlich und das Boot ruckelig und laut. Aber es hat sich gelohnt! Denn danach die Fahrt entlang des Raftsundet war mit das Schönste dieses Urlaubs! Über "Mittag" haben wir Stunden in der Sonne an einem Sandstrand verbracht und sogar gebadet. Unglaublich. Auch die Nacht am Hang über dem Fjord war sehr schön.

Mittwoch war dann eher gemischt. Die Fährfahrt nach Kaljord und die ersten km auf der 822 waren noch angenehm aber dann wurde es immer unattraktiver. Sigerfjord war voll das Snobörtchen. Sehr schöne Häuser, aber man konnte überall das Geld sehen. Sortland dann super unattraktiv. Und der Campingplatz der Hammer: 120 NOK und Dusche noch extra! Dafür kaum eine ebene Stelle. Nachts kam dann eine sehr mitteilungsfreudige süddeutsche Familie an, die wohl nicht verstanden hat, dass es trotz Helligkeit Nacht sein kann ...

Dafür haben wir dann gestern unser Paradies gefunden! An der kleinen Strasse zwischen Haugen und Alsvåg ein kleine Halbinsel mit kleinen Birken und moosbewachsenen Steinen. Der Garten Eden. Dort ein kleines Haus drauf, das wär's. Obwohl es erst 12 h war, haben wir uns entschieden, dort zu bleiben und den Rest des Tages und die Nacht zu verbringen. Wir haben wunderschöne Pläne von unserer Zukunft in Norwegen geschmiedet ...

Der heutige Tag war ein bisschen so wie der Kater nach der Party. Wir sind durch Myre nach Nyksund gefahren. In Nyksund wollten wir zwei Nächte bleiben und morgen wandern gehen. Schon Myre war schrecklich abschreckend. Eine lange Strasse mit Tankstellen, Werkstätten, Supermärkten etc. Nyksund war dann richtig komisch. Einerseits alles für Touristen ausgelegt (Übernachtungen, Cafes, Walsafari, Kneipe mit Livemusik, ...) aber andererseits hatten wir beide das Gefühl, unerwünscht zu sein. Alle, die wir trafen, waren total reserviert und zugeknöpft. Die Bedienung im wirklich sehr gemütlichen Cafe hatte die ganze Zeit einen Walkman auf, als wir mit ihr gesprochen haben. Später kamen noch zwei Nyksunder, die wir schon draussen gesehen hatten und setzten sich mit der Bedienug an einen Tisch. Es war komisch, aber es fühlte sich an, als wären wir Störenfriede in deren Wohnzimmer. Als wir gingen, bekamen wir auf unsere Abschiedsworte keine Antwort. Wir waren nur eine Stunde dort und vielleicht haben wir einen ungünstigen Zeitpunkt erwischt, aber unser Eindruck war, dass die Nyksunder sich in einer ambivalenten Situation befinden: einerseits wollen sie ihr eigenes, unabhängiges Leben leben, andererseits müssen sie wohl vom Tourismus leben. Vielleicht sind sie nicht so richtig mit dem Herzen dabei und lassen die Besucher spüren, dass sie eigentlich nicht erwünscht sind. Wie gesagt, nur der Einduck nach einer Momentaufnahme.
Auf jeden Fall sind wir dann doch wieder zurückgefahren und haben nicht in Nyksund übernachtet. Da es spät wurde und wir Hunger bekamen, habe ich Yvonne überredet, auf einem Rastplatz zu kochen und erst danach nach einer Übernachtung zu suchen. War 'ne gute Idee. Und dann haben wir den Aushang gesehen, dass es grosse Hütten zu einem angemessenen Preis gibt. Angerufen und - ja - es war noch was frei! Jetzt ist es allerdings komisch, wieder in vier Wänden zu sitzen. Trotzdem, nachdem das Wetter heute nicht mehr so gut war, wie an den anderen Tagen zuvor und es auch geregnet hat, tut es schon ganz gut, mal wieder "drinnen" zu sein.

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Sonntag, 7. Juli 2002

Skjellbogen - Holmstad - Eidsfjord - Sandnes - Stokmarknes

Gestern habe ich - abgesehen von unserem Umzug von Hütte 3 nach Hütte 6 - keinen Fuß vor die Tür gesetzt. Für einen Tag sehr schön, aber ich habe schon gemerkt, wie ich mich von der Natur entferne. Ich habe nicht gewusst, wie warm es ist, kaum mitbekommen, ob es regnet und mir den Gang nach draussen noch viel ungemütlicher vorgestellt, als wenn ich aus dem Zelt müsste.
Auf den heutigen, letzten Fahrtag habe ich mich dann auch schon wieder richtig gefreut. Allerdings war es zu Anfang nicht so doll, da es ohne Ende regnete und ziemlich kräftig wehte. Erst als der Wind nachliess und der Regen in Dauernieseln überging, wurde es besser und hat wieder richtig Spass gemnacht.
Ich hatte erstmals Probleme mit der Gangschaltung. Durch Regen, dem Fahren auf Schotter und dem Schmierkram auf der Kette hat sich anscheinend eine solche Klebe gebildet, dass die Kette immer wieder auf dem kleinsten Kettenblatt hängen blieb und sich verhakte. Erst eine Säuberungsaktion im Regen und etwas Öl halfen. Ausserdem musste ich dringend die hinteren Bremsbacken austauschen, die schon das Metall durchschimmern ließen. Wir sind heute bis Stokmarknes gefahren, so dass wir es morgen richtig gemütlich angehen können und nicht mehr hetzen müssen. Morgen beginnt wirklich die Rückfahrt. Erst mit der Hurtigruten nach Bodø und dann die lange Zug-Zug-Fähre-Zug-Zug-Fahrt ...
Hoffentlich ist morgen das Wetter einigermassen, damit etwas vom Raftsund zu sehen ist, an dem wir am Dienstag diesen superschönen Tag hatten.

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Mittwoch, 10. Juli 2002

Stokmarknes - (Hurtigruten) - Bodø - Bodøsjøen Camping
Bodøsjøen Camping - Bodø - (Zug) -Trondheim - Sandmoen Camping
Sandmoen Camping - Trondheim - Sandmoen Camping

Nur noch Rückfahrt vor uns. Ich sitze in Trondheim auf dem Campingplatz auf einer Bank und geniesse den letzten Abend in Norwegen.

Die Hurtigrutenfahrt am Montag war wirklich speziell. In Stokmarknes wurden mehrere Busladungen auf das Schiff losgelassen, nur um die Fahrt durch den Trollfjord zu erleben. In Svolvær warteten dann die Busse wieder, um die "Lemminge" zum nächsten Höhepunkt zu karren. So schön die Hurtigroutentour ist, man sieht die Natur nur und ist nicht in ihr. Ich hatte so oft Lust, einfach auszusteigen und mit dem Rad weiterzufahren. Erstaunlich war, dass mir der Raftsund vom Schiff aus viel breiter vorkam, als von der Strasse und unserem Zeltplatz aus.
Auf dem Schiff sprach uns ein Bayer an, der fragte, ob wir mit dem Motorrad unterwegs seien. "Nein, mit dem Fahrrad." - "Mit dem Faaaahrrad???" - "Ja, mit dem Fahrrad." - "Nein!" - "Doch." - "Mit dem Fahrrad???" ... (ca. drei weitere Wiederholungen) ... Das Gespräch wurde dann richtig nett, da er und seine Frau so richtig naiv neugierig waren und uns von vorne bis hinten (angenehm) ausfragten, weil sie sich unsere Art der Reise so gar nicht vorstellen konnten.
Als nicht optimal stellte sich unser Platz raus, den wir uns für den Abend ausgesucht hatten. Der war nämlich am Eingang des Speisesaals, durch den die Dauergäste im 2-Stunden-Rythmus geschleust werden. Was man da alles mitbekommt ...
In Bodø haben wir uns um 2 Uhr noch zum Campingplatz durchgeschlagen. An Verschlafen war gar nicht zu denken, da direkt neben dem Platz der Flughafen liegt. Um 7.30 Uhr ging es los. Was habe ich Yvonne um ihre Ohrenstöpsel beneidet.

Die Zugfahrt von Bodø nach Trondheim gestern war ziemlich anstrengend. Zehn Stunden in einem ungemütlichen Sitz, bei dem man noch nicht mal die Mittellehne hochklappen konnte. In Trondheim dann erstmal Regen und eine lange Steigung zum Campingplatz Sandmoen, der dann auch noch für Fahrradfahrer absolut ungeeignet ausgeschildert war.

Heute haben wir erstmal ausgeschlafen, ausgiebig gefrühstückt und sind dann in der City Syd und in Trondheim einkaufen gewesen. So richtig Lust auf Großstadt habe ich wirklich noch nicht. Und dabei hat Trondheim nur gut 150.000 Einwohner ...

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Freitag, 12. Juli 2002

Sandmoen Camping - Trondheim - (Zug) - Oslo Sentralstasjon - Stena-Terminal - (Fähre) - Frederikshavn - (Zug Frederikshavn - Fredericia, Fredericia - Hannover) - Hannover

Wieder zuhause. Die beiden letzten Tage zogen sich nur noch. Morgens die Radfahrt vom Campingplatz nach Trondheim war noch ganz schön. Es war schon angenehm warm und ging natürlich auch bergab. Im Bahnhof habe ich erstmal zwei Kaffee geholt, wovon sich einer dann gleich in Richtung Boden aufgemacht hat. Toll! In Oslo haben wir nur noch die Zeit abgesessen, bis die Fähre fuhr. Wir waren einfach zu kaputt für was anderes. Das Buffet auf der Fähre war zwar sehr gut, aber es war viel zu voll, als dass man es wirklich geniessen konnte. Auffallend, wie viele wirklich dicke Gäste da waren, die sich teilweise Berge von Essen in sich reinschaufelten. Der Abend auf der Fähre war von etwas depressiv-trauriger Stimmung geprägt. Leider fanden wir kein Plätzchen, wo wir uns in Ruhe hinsetzen konnten. Überall voll, laut und massig Spielautomaten, die vor sich hin düdelten. Besser wurde es erst, als auch wir unser letztes Kleingeld investierten und uns so wenigstens noch zwei Kaffee für den nächsten Morgen erspielten.
Leider hatten wir keine Doppelkabine mehr bekommen und mussten mit Einzelbetten in 4er-Kabinen auskommen. Bei mir war es ein deutscher Bustourist, bei Yvonne eine Norwegerin, die uns durch ihr Schnarchen um den Schlaf brachten!

Die Zugfahrt durch Dänemark und Deutschland war einfach nur lang und warm. Als ich die Menschenmassen am Hamburger Hauptbahnhof sah, hatte ich schon wieder genug.
Aber das Nachhausekommen war dann doch sehr schön. Der Kater hat uns gleich begrüsst und nicht erst geschmollt. Den habe ich echt vermisst! Und der Empfang, den uns unsere Katersitterin bereitete, war auch sehr schön. Alles sauber, selbstgebackener Kuchen und Brot. Meine berühmten Negativ-Phantasien erfüllten sich mal wieder nicht.

Jetzt ist schon fast alles wieder ausgepackt und gewaschen. Wir haben die Bilder bekommen. So schön war es. Ich könnte schon morgen wieder zurück! Trotz der fast fünf Wochen ist mir wohl kein Urlaub so kurz vorgekommen. Ausser der Sehnsucht nach dem Kater hatte ich noch nie so wenig (nämlich keins) Heimweh! War das der schönste Urlaub je? Schlecht zu sagen. Einer der schönsten sicherlich.
Ich weiss schon, wo es nächstes Jahr hingeht!

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[raftsundet]

Raftsundet

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Hommage an Andy Goldsworthy 2

Hommage an Andy Goldsworthy 2

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landschaft

Landschaft

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wolken

Wolken

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Kulturlandskap Nordland

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vom Hurtigrutenschiff

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Abschied von den Lofoten